Schreibmaschine auf Papier 46 cm x 2.000 cm
In monatelanger Arbeit hat Oliver Siebeck in einem Akt der Entschleunigung und wohl auch Selbstdisziplinierung ein Stück Schreibmaschinenkunst (Typewriter Art) zu Isang Yun geschaffen. Er tippte auf eine Schriftrolle das Datum eines jeden einzelnen Tages,
den Isang Yun erlebt hat: arabische Zahlen nach dem schlichten Schema

17. 9. 1917 18. 9. 1917 19. 9. 1917 20.
9 1917 21. 9. 1917 22. 9. 1971 23. 9. 1

– dies die ersten beiden Zeilen, optisch entzerrt. Die erste Zeile hat 41 Anschläge (inkl. Leertasten). Für die darauffolgende Zeile, die nur 40 Anschläge hat, aber mit einer Leertaste beginnt, wählte Siebeck einen so dichten Zeilenabstand, dass aus dem in sich klar strukturierten Zahlenwerk durch Überlappung der Schriftzeichen ein grafisches Gewebe entsteht mit sich verdickenden und verdünnenden Musterungen. Diese sind auch durch die materialen Gegebenheiten bedingt: die Beschaffenheit des Papiers, die Intensität und den Verbrauch des Farbbands, den sich verändernden Zustand (Sauberkeit, Klarheit) der Typen der Schreibmaschine.

Die Länge von rund zwanzig Metern ergibt sich aus der Länge dieses Lebens, das am 3. 11. 1995 endete.

Als wäre es nicht genug, dieses Leben einmal auf ein schwarzes oder blauschwarzes Farbband zu tippen, ohne einen Tag auszulassen, hat Siebeck nach Vollendung dieses Arbeitsgangs eine zweite, gegenläufig verlaufende rote Spur getippt. Die Spuren dieses vor und zurück gespulten Lebens mäandern; die Bahnen berühren einander und überlappen sich; sie führen ein Eigenleben. Dazu Oliver Siebeck: „Vielfalt der Beziehung, ohne Linearität aufzugeben. Ein Netz von Entsprechungen über zwei Flüssen. Kein Vor oder Zurück, ein bewegtes und stillstehendes Jetzt, zugleich Leben und Tod, denn Yun war tot, bevor ich die Biografie schreiben konnte.“

W.-W. Sparrer

Internationale Isang Yun Gesellschaft, Berlin 2018